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Writer's picturevon Andreas Vones

"KI"-Fortschritte verursachen Rückschritte

Geräte werden „klüger“, Menschen nicht - ich befürchte einen Zusammenhang.

 

Sogenannte „KI“-Programme werden in nahezu allen Branchen und selbst im Privatleben begeistert eingesetzt. Was diese Programme leisten, ist phänomenal. In unzähligen Unternehmen sind sie kaum noch wegzudenken. Wobei der Begriff „KI“ falsch ist, denn (zurzeit) gibt es keine künstliche Intelligenz und das wird sich hoffentlich auch nicht so bald ändern. Davon abgesehen sind elektronische Programme, die sich durch kontinuierliche Nutzung selbstständig weiterentwickeln und ständig modifiziert werden, keine Sensation im digitalen Kosmos.  Einzig Text- und Audio-Visionsgestaltungen, die von simplen oder wissenschaftlichen Texten über Grafiken, hervorragenden Fotografien bis hin zum aufsehenerregenden Video reichen, sind spektakulär neu. Dies auch, weil jede dafür halbwegs talentierte Person unabhängig vom Bildungs- und Berufsstand einfachere Programmversionen gebührengünstig verwenden kann.

Diese Form der Arbeitserledigung verstärkt neben dem digitalen Fortschritt gleichwohl einen Rückschritt: Menschen überlassen Aufgaben der KI, wodurch sie eigenes Lernen vernachlässigen und Fleiß, Wissen sowie Kreativität vortäuschen.

 

Zuvor konnten Studierende, Doktoranden und Auszubildende mit mehr Geld in der Tasche bei „akademischen Ghostwriter - Agenturen“ schriftliche Ausarbeitungen einkaufen. Das war und ist ausgeprägt unanständig. Jetzt haben alle Personen die Möglichkeit, „KI“-Programme für sich arbeiten zu lassen, was auch üppig genutzt wird.

 

Die Generation „angewachsenes Smartphone“ kann sich mittlerweile kaum noch längere Zeit mit einem Thema oder einer Aufgabe beschäftigen, weil sie es nicht gelernt hat. Auch lernen muss man nämlich lernen. Die Aufmerksamkeitsspanne jüngerer Generationen ist dramatisch gering, was die Entstehung von frischen Verknüpfungen im Hirn verhindert. Die Fokussierung auf elektronische Medien verringert zugleich die verbale Kommunikationsfähigkeit sowie das Erlernen sozialer Interaktionen.  Lernen im klassischen Sinn wird durch Online-Wissensdatenbanken und der Aufgabenerledigung mithilfe von Programmen verhindert. Warum etwas lernen oder selber machen, wenn mir eine „KI“ das Resultat viel schneller und komfortabler präsentiert? Im „Netz“ gibt es zwar auf jede Frage eine Antwort oder für manche Anforderung ein passendes Programm, aber selbst wenn die Ergebnisse korrekt sein sollten und die Herausforderung anscheinend gut gelöst wurde, verhilft eine in Sekunden oder Minuten gewonnene Erkenntnis nicht zu echtem Wissen durch Begreifen.

 

Diese Gesamtproblematik sollte im Zusammenhang mit stetig schlechter werdenden PISA Ergebnissen und der enorm wachsenden Anzahl Schulabbrecher sowie mit Mängelberichten aus Unternehmen betrachtet werden, die den nutzbaren Leistungsstand der Hochschulabsolventen und Absolventinnen kritisieren.  Auch die bis dato höchste Durchfallquote von 40 % bei der Führerscheinprüfung dokumentiert die geringe Lernentfaltung jüngerer Menschen. Was in der Technik die Algorithmen sind im Hirn die Nervenzellen. Beide müssen ständig genutzt und trainiert werden, sonst verkümmern sie und es passiert gar nichts mehr.

 

„KI“-Technologie sorgt nicht nur Furore, sondern auch für geistige Bequemlichkeit, die mit mangelnder Lernfähigkeit einhergeht.  Hinzu kommen brisante Gefahren für Fakes und Verführungen ebenso wie Murks und Betrügereien. Amazon wird seit Herbst 2023 von Hunderttausenden (!) neuer Buchveröffentlichungen überschwemmt. Allein im Oktober wurden 148.000 Ratgeber für alles Mögliche hochgeladen und veröffentlicht. Schwerpunkt waren dabei „Reiseratgeber“, denn mit Ländern und einem „Reise 1x1“ kennen sich ChatGPT & Co halbwegs aus. Aber wiederum nicht so gut, dass der Leserschaft grobe Fehler nicht auffielen. 82 % der Kunden bemängelten den unqualifizierten Schreibstil und bewerteten die Bücher negativ. Das erschreckte jedoch weder neue „AutorenInnen“ noch Amazon. Der Internetgigant reagierte mit einer sarkastisch klingenden, aber ernsthaft gemeinten neuen KDP-Bedingung und begrenzt zumindest in den USA und UK die Upload-Rate auf "drei Bücher pro Person je Tag", sofern sie mit KI geschrieben wurden. Auch eine schlechte Bewertung bedeutet: Das Buch wurde gekauft. Es wird damit also Geld verdient. Nicht nur Herausgeber*innen, sondern Amazon ebenfalls. Daher reagiert der Konzern zurückhaltend.

 

Laut dem Fachmagazin „Horizont“ (Mai 2024) nutzen mehr als 700.000 europäische und weltweit 2,2 Millionen  Unternehmen kostenpflichtige „KI“, was absolut verständlich ist. Es sind die kostenlosen oder äußerst preiswert nutzbaren Online-Tools für die erklärten Sorgen und den „Jedermann“-Fakes verantwortlich. Zudem steht das deutsche Bildungssystem den neuen Herausforderungen völlig planlos gegenüber. Während Schweden nach einigen Jahren digitaler Lernpraxis  seit 2024 wieder zu physischen Schulbüchern zurückkehrt, verfügen unsere Schulen oftmals noch nicht einmal über einen Internetzugang für Schulklassen und Lehrende.

 

Mittlerweile finde ich im Posteingang auch Pressemeldungen, Antworten und Mitteilungen von Unternehmen, die erkennbar von ChatGPT und ähnlichen Softwareprogrammen geschrieben wurden. Ich gebe es offen zu, da bin ich dann so wort- und sprachlos wie der Absender. Glaubt er oder sie tatsächlich, ich würde das nicht bemerken? Vielleicht frage ich „OPEN AI“ nach einer passenden Reaktion. Algorithmen meinen ohnehin zu wissen, wer ich bin und was ich grad so brauche. Die Datenströme entscheiden unter anderem darüber, ob ich einen Versicherungsvertrag oder einen Kredit bekomme, sie selektieren BewerberInnen und (be)lehren Führungskräfte über einen „guten Führungsstil“. In sogenannten „Jobportalen“ wie Stepstone, Indeed und andere wählen Leute ohne konkrete Berufserfahrung mithilfe von „KI“ InteressentenInnen aus, was oft zu einer befremdlichen Auslese führt und somit selten zur Firma passendes Personal gefunden wird. Wie schon erörtert: Fachkräftemangel hat verschiedene Ursachen. Und Personalsuche durch kaufmännisch orientierte „JobvermittlerInnen“ ist eine davon. Da liegt es nahe, dass SchülerInnen jeglicher Stufe und Studierende ihre Aufgaben ebenfalls an „KI“-Programme delegieren.


Das Aufmacherfoto symbolisiert genau das, was (nicht nur) ich befürchte: Schon bald ist der berühmte Menschenverstand und profundes Wissen nicht mehr in der breiten Gesellschaft anzufinden. Diese Mahnung spricht nicht gegen „KI“-Technologie, sondern gegen eine bedenkenlos ausufernde private Nutzung ohne jeglichen eigenen intelligenten Gedanken.

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